Der am Stadtrand Dresdens im Ortsteil Kauscha gelegene und zum Teil wieder aufgebaute Bauernhof mit seinen 7000 m² Hoffläche stellt ein Kleinod dar, eine Oase für gestresste Großstadtbewohner, insbesondere natürlich für Kinder und Jugendliche, aber auch ein schützenswertes Kulturgut. Mit seinem großen Spektrum an Haus- und Nutztieren zeigt der Hof ein historisch zu nennendes Flair, wie es noch vor 100 Jahren im ländlichen Raum vorherrschend war und mit solch einem Tierbestand zur Nahrungsmittelproduktion diente.
Die oberhalb des Gebergrundtals gelegene Fläche (Flurstück Nr. 17, Gemarkung Kauscha – früher oftmals als Kleinkauscha bezeichnet) war bereits zu Zeiten der Ersterwähnung von Kauscha 1288 besiedelt und wurde stets bäuerlich genutzt.
In all den folgenden Jahrhunderten war der Standort von stetigem Aufbau und Verfall geprägt. Ursprünglich befanden sich hier zwei Bauernstellen, d. h. die Fläche war mit einem Doppelgehöft bebaut, wovon zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt eine Bauernstelle (Gehöft) aufgegeben wurde.
Im Umfeld wurde der Standort bereits im Mittelalter als „Hungerburg“ bezeichnet. Nach Überlieferungen gibt es unterschiedliche Auslegungen, wie es zu dem Namen kam.
Einerseits werden die umliegenden sehr steinhaltigen und trockenen Ackerflächen als weniger ertragsreich eingeschätzt, sodass die Bewohner und Arbeiter der Hungerburg häufig eher geringe Erträge von den Feldern erwirtschaften konnten. Dies führte zu einer gewissen Not und dem Namen “Hungerburg”.
Eine andere und eher zum Schmunzeln anregende Geschichte besagt, dass der Bauer schlichtweg geizig war. Wer dort arbeitete, hatte weniger Lohn im Vergleich zu Knechten und Mägden, die auf anderen Höfen arbeiteten.
Bei dem betreffenden Wohngebäude auf dem Flurstück 17/4, Gemarkung Kauscha (Gut Schneider) handelt es sich um das Herrschaftshaus eines ehemaligen Vierseiten-Bauernhofes. Es ist ein zweigeschossiger Sandstein- bzw. Ziegelbau und besitzt einen großzügig angelegten Dachraum. Es wurde 1895 als freistehendes Gebäude erbaut, 1912 wurde es erweitert und umfassend saniert. Einige noch vorhandene Details deuten auf einen gewissen Wohlstand der Eigentümer hin.
Bis ca. 1959 wurde der Bauernhof mehr oder weniger privat bewirtschaftet. Im Rahmen des allgemeinen Überganges zur Kollektivierung der Landwirtschaft nach sowjetischem Vorbild wurde er fortan durch verschiedene landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) genutzt. Der schrittweise Verfall des Hofes begann. Da der alte Stall- und Scheunenkomplex den Anforderungen der Zeit nicht mehr entsprach, wurde Anfang der 1960er Jahre der heute noch genutzte Viehstall erbaut. Aufgrund der sehr steinhaltigen Ackerflächen und infolge einer nicht mehr ausreichenden Wasserversorgung wurde die landwirtschaftliche Nutzung des Gehöftes Ende des gleichen Jahrzehnts eingestellt und der Bauernhof der Gemeinde Goppeln übertragen.
Anfang der 1970er Jahre erfolgten letztmalig Instandhaltungsarbeiten am Wohngebäude durch die Gemeinde. Anschließend wurde das Wohngebäude bis Ende der 80er Jahre zu Wohnzwecken und die dazugehörigen Gebäude als Lager- und Werkstätten genutzt. Bereits 1976 wurde begonnen, auf unmittelbar an den Hof angrenzenden und ehemals zu ihm gehörenden Nutzflächen Kleingärten zu schaffen. Dadurch wird der Bauernhof im südöstlichen Bereich auch heute noch von Kleingärten umschlossen.
Zwischen dem heutigen Lehmbackofen und dem Abenteuerspielplatz befand sich ein Schlachthaus, das Ende der 70er Jahre abgerissen wurde. Wo heute der Feuerlöschteich ist, stand das Wirtschaftsgebäude, welches seit den 60er Jahren nicht mehr genutzt und dem Verfall überlassen wurde. Lediglich die dazugehörigen Kellerräume wurden bis Mitte der 80er Jahre zur Champignonzucht genutzt, obwohl oberirdisch kaum noch Bausubstanz vorhanden war.
Bis Herbst 1994 erfolge keine Nutzung des Bauernhofes. Er war sich selbst überlassen und verwilderte. Im Wohngebäude wurden viele Dinge illegal demontiert bzw. zerstört. Anzumerken bleibt ebenfalls noch, dass Anfang der 1990er Jahre ein Feuer große Bereiche der Bausubstanz im 1. Obergeschoß und im darüber liegenden Dachgeschoß zerstörte. Der bis dato wider Erwarten doch noch recht gut erhaltene ehemalige Pferdestall des Gehöfts (als zweigeschossiges Gebäude mit Spitzdach 1920 erbaut und ursprünglich mit einem kleinen Glockenturm versehen) fiel ebenso dem illegalen Baustoffbedarf von Interessenten zum Opfer.
Ab 1994 wurde der Bauernhof zur neuen Heimstätte der Mitglieder des Kinder- und Jugendbauernhof Nickern e. V., der am 30. September 1992 durch eine Gruppe junger Familien gegründet wurde. Es war ein Ort gefunden, wo Gleichgesinnte ihre Freizeit in der Natur verbringen konnten – der ursprüngliche Vierseitenhof, bebaut mit Herrschaftshaus, Scheune, Stall und Ruine des ehemaligen Pferdestalls, lebte wieder. Infolge des sehr schlechten Bauzustandes kam eine Nutzung des Wohngebäudes durch den Verein schon zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr in Frage. Somit konnte das Erdgeschoß bis 2011 punktuell lediglich für Lagerzwecke genutzt werden.
Seit 1996 befindet sich das Flurstück 17/4 Gemarkung Kauscha im Eigentum des Vereines. Aus einer anfänglichen Idee entstand so nach und nach ein Projekt, dessen heutige Dimensionen zu diesem Zeitpunkt keiner so weitreichend einschätzen oder erwarten konnte. Immer neue Projekte und Vorhaben ließen den Hof zu einem attraktiven Abenteuerspielplatz am Rande der Stadt werden. Mit dem Um- und Ausbau des ehemaligen Stalls mit dazugehöriger Scheune im Jahre 1999/2000 zum Sozialgebäude, Tenne mit Strohboden und dem Einbau einer Brandmeldeanlage im Jahre 2011 wurden erste Voraussetzungen für eine gute und nachhaltige Jugendarbeit geschaffen.
Dennoch platzte im Laufe der Jahre das Sozialgebäude aus allen Nähten und konnte den gestiegenen Anforderungen an die Arbeit nicht mehr gerecht werden. Die Sanierung des ursprünglichen Herrschaftshauses des Bauernhofes wurde somit für die weitere Jugendarbeit unabdingbar – für den Verein, aber ein ebenso wagemutiges Vorhaben.
Im August 2010 wurde durch das Engagement der Dresdner Lionsclubs und dem Erlös des 3. Dresdner Entencup in Höhe von 26.000 Euro ein finanzieller und medienwirksamer Beitrag zur Sanierung des ehemaligen Wohnhauses in Gang gesetzt. Weitere Arbeitsschritte wurden dadurch planbar gemacht. Im Jahre 2011 konnten erste dringend erforderliche Sicherungsmaßnahmen am Gebäude durchgeführt werden. Unterstützung erfuhren wir auch vom Dresden Fernsehen in der Rubrik „Baubeobachter der Woche“ vom 24. Januar 2012.
Dank der Unterstützung der Drosos-Stiftung konnten ab 2018 die Sanierungsarbeiten dann richtig beginnen. Mit der Fertigstellung der Arbeiten Anfang 2020 entstand viel zusätzlicher, dringend benötigter Raum, um das Angebotsspektrum des Hofes unter anderem auch durch bühnen- und theaterpädagogische Konzepte zu erweitern.
Der Kinder- und Jugendbauernhof Nickern e. V. bietet heute als anerkannter freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe in Dresden kontinuierlich seit 1994 ein breites Spektrum an Angeboten für Kinder, Jugendliche und ihre Familien. Auch Schulklassen, Kindergartengruppen und Menschen mit Handicap besuchen regelmäßig den Hof und nutzen aktiv seine Angebote. Familien nutzen den Bauernhof besonders gern zu einem kostenlosen Ausflug oder für Kindergeburtstage und Familienfeiern. Und natürlich verbringen zahlreiche Kinder und Jugendliche ihre Freizeit auf dem Hof. Besonders beliebt sind dabei nach wie vor alle Angebote, die sich unmittelbar mit den Tieren beschäftigen und ein direktes Erleben eben dieser möglich machen.